Da es nach dem im ersten Teil Dargelegten nicht im Einflussbereich des Arbeitgebers liegt, ob ein Arbeitnehmer geimpft wurde oder nicht, stellt sich die Frage, wie mit einer – daraus zwingend resultierenden – gemischten Belegschaft von geimpften und ungeimpften Arbeitnehmern umgegangen werden kann – insbesondere also inwieweit eine Privilegierung geimpfter Beschäftigter und/oder eine Sanktionierung nicht geimpfter Beschäftigter zulässig ist.
II. Arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen Impfverweigerer
1. Ausspruch von Kündigungen
Arbeitnehmer, die die Impfung verweigern, können unter Umständen personenbedingt gekündigt werden, wenn die verminderte Gefahr der Ansteckung Dritter die persönliche Eignung für die vereinbarte Tätigkeit erheblich mitbestimmt (Kräfte in Pflegeheimen, Krankenhäusern etc.) und somit die Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt sind. Dies setzt natürlich voraus, dass von einem Geimpften tatsächlich keine oder eine nachweislich verminderte Ansteckungsgefahr ausgeht, was derzeit noch nicht klar zu sein scheint.
Unter diesen Voraussetzungen dürfte eine personenbedingte Kündigung zumindest solchen Arbeitnehmern, die täglich mit Risikogruppen in Kontakt stehen und für die kein freier alternativer Arbeitsplatz besteht, gegeben sein. Es bedarf vorher jedoch einer detaillierten und für jeden Fall gesonderten rechtlichen Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Kündigung vorliegen.
2. Betriebliche Zutrittsverbote für Nichtgeimpfte
Grundsätzlich besteht seitens der Arbeitnehmer ein allgemeiner Beschäftigungsanspruch. Dieser tritt allerdings dann zurück, wenn überwiegende schützenswerte Interessen auf Seiten des Arbeitgebers entgegenstehen. Dies kann sich ergeben aus den Schutzpflichten des Arbeitgebers gegenüber seinen anderen Mitarbeitern sowie seinen Kunden vor Gesundheitsgefährdungen. Dies setzt wiederum voraus, dass von Geimpften keine oder eine deutlich verringerte Ansteckungsgefahr ausgeht, sie also nicht Träger des COVID-19 Virus sein können. Im Übrigen sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen:
- Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr Dritter, wenn der Arbeitnehmer ohne entsprechenden Impfschutz seiner regulären Tätigkeit nachgeht?
- Können entsprechende Schutzmaßnahmen durchgeführt werden, die eine Ansteckung anderer verhindern?
- Wie aufwendig sind diese und mit welchen Kosten sind sie verbunden?
Eine Tätigkeit mit unmittelbarem Kundenkontakt ist in diesem Zusammenhang sicherlich anders zu bewerten als eine Tätigkeit ohne Kontakt zu anderen Personen. Auch wird die Fragen zu prüfen sein, ob der Arbeitgeber verpflichtet sein kann, den Arbeitnehmer zukünftig im Home-Office zu beschäftigen, um eine Ansteckung anderer zu verhindern. Dies würde faktisch einen sonst nicht bestehenden Anspruch auf Home-Office des impfunwilligen Arbeitnehmers begründen.
Sofern eine Interessenabwägung zu dem Ergebnis kommt, dass der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers zu verneinen ist, stellt sich im zweiten Schritt die Frage, ob er seinen Vergütungsanspruch behält. Es gilt im Arbeitsrecht der Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn", sofern keine Ausnahmetatbestand greift. Auch hier ist wieder eine Interessenabwägung erforderlich. Sofern der Arbeitnehmer aber nicht nachvollziehbare und schutzwürdige Gründe für seine Impfverweigerung darlegen kann, spricht viel dafür, den Vergütungsanspruch zu verneinen, da der Arbeitgeber eine angebotene Leistung nicht annehmen muss, wenn dadurch Leib, Leben oder Gesundheit anderer Arbeitnehmer unmittelbar und nachhaltig gefährdet werden.
Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass die Hürden in Abhängigkeit von der jeweiligen Tätigkeit ggf. sehr hoch sein können. Im Übrigen besteht das praktische Problem des Arbeitgebers, dass er häufig nicht weiß, ob ein Arbeitnehmer geimpft ist (siehe hierzu datenschutzrechtliche Erwägungen unter Ziff. III).
3. Sonstige Differenzierungen im Hinblick auf den Diskriminierungsschutz
Neben diesem faktischen Beschäftigungsverbot sind auch mildere Maßnahmen denkbar, bei denen Arbeitgeber zwischen geimpften und nicht geimpften Beschäftigten differenziert. Eine solche unterschiedliche Behandlung kann sich auf sämtliche Bereiche des Arbeitslebens erstrecken: z.B. Zugang zu Betriebskantinen nur für Geimpfte, unterschiedliche Arbeitsbedingungen für Geimpfte und Nichtgeimpfte etc.
Eine solche Differenzierung ist stets dann problematisch, wenn es keinen sachlichen Grund für die unterschiedliche Behandlung gibt. Ein solcher wird aber jedenfalls dann vorliegen, wenn aus medizinischen Gründen sowie aus Gründen des Arbeitsschutzes unterschiedliche Gefährdungslagen bestehen, wobei es jedenfalls eines medizinischen Nachweises bedarf, dass der geimpfte Arbeitnehmer nicht mehr ansteckend ist.
Noch problematischer wird es gleichwohl, wenn die unterschiedliche Behandlung nach § 1 AGG besonders geschützte Merkmale mittelbar betrifft (bspw. Alter; Behinderung; Geschlecht). Dies wäre etwa dann der Fall, wenn jüngere (mangels genügend Impfstoff) noch nicht geimpft sind, Ältere dagegen überwiegend schon, aber auch wenn bestimmte Gruppen wie Behinderte oder Schwangere aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Eine solche unterschiedliche Behandlung würde nur zulässig sein, wenn sie durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt ist und keine milderen Mittel zur Erreichung dieses Ziels denkbar sind.
Insofern muss in jedem Fall sorgfältig geprüft werden, ob eine unterschiedliche Behandlung von Geimpften und Nichtgeimpften zulässig ist. Jedenfalls in den ersten Monaten des Jahres, in denen nur für einen Teil der Bevölkerung eine Impfung verfügbar ist, ist jedenfalls eine unterschiedliche Behandlung (und insbesondere die Gewährung von Privilegien für Geimpfte) (noch) nicht zu empfehlen.
III. Datenschutzrechtliche Implikationen
All das vorab Gesagte erfordert aber jedenfalls, dass der Arbeitgeber Kenntnis davon hat, ob der Arbeitnehmer (bereits) geimpft wurde. Bei dieser Information handelt es sich um besonders geschützte personenbezogene Daten, da es sich hierbei um Gesundheitsdaten handelt. Insofern ist sicherzustellen, dass angemessene Gründe für die Erhebung und Verarbeitung der Daten klar festgelegt und dokumentiert sind. Ebenso muss die Erhebung der Daten transparent und verhältnismäßig sein.
Insofern dürfte eine Erhebung der Daten jedenfalls erst dann beginnen können, wenn dies relevant ist, insbesondere weil (positive) Folgen daraus resultieren, dass der Arbeitnehmer geimpft ist. Zu weit gehen dürfte es wohl, sämtliche Arbeitnehmer zu befragen. Vielmehr sollte ein System bestehen, wonach Arbeitnehmer, die geimpft sind, dies angeben können, eine Pflicht zur Auskunft aber nicht besteht. Alle diejenigen, die diese Auskunft nicht erteilt haben, sind sodann – nach den gezeigten Grundsätzen – als Ungeimpfte zu behandeln. Insofern behält der Arbeitnehmer die Freiheit, den Arbeitgeber nicht über den Impfstatus zu informieren, muss es dann aber auch hinnehmen, so behandelt zu werden, als sei er (noch) nicht geimpft.
Eine Besonderheit besteht gemäß § 23a IfSG für Beschäftigte in besonderen sensiblen Bereichen wie Krankenhäusern, Arzt- und Zahnarztpraxen, Rehabilitationseinrichtungen aber auch Rettungsdiensten und ambulanten Pflegediensten mit Intensivpflege. Als Konkretisierung von § 32 BDSG ist eine Erhebung und Verarbeitung des Impfstatus hier stets zulässig, sofern dies für die Art und Weise der Beschäftigung sowie (bei Bewerbern) für die Einstellung selbst von Bedeutung ist. Die Regelung ist insofern eine Spezialregelung zur Datenerhebung und Verarbeitung.
IV. Zusammenfassung
Viele arbeitsrechtliche Fragen sind derzeit noch ebenso offen wie die weitere Entwicklung der Impfsituation. Entscheidend für die Beantwortung einer Vielzahl dieser Fragen dürfte sein, ob ein Geimpfter noch Träger des Virus sein und damit weiterhin von ihm eine Ansteckungsgefahr ausgehen kann. Ist dies nicht der Fall und sind die Impfungen für jeden Arbeitnehmer zugänglich, fällt eine (gerechtfertigte) Differenzierung zwischen Geimpften und Ungeimpften weitaus leichter. Klar ist aber auch, dass es eine ausdrückliche und bereichsübergreifende Impfpflicht nicht geben kann und geben wird, solange der Gesetzgeber nicht entsprechend tätig wird. Dies bedeutet aber nicht, dass jede Differenzierung unzulässig ist.
Insofern ist Arbeitgebern bereits jetzt zu empfehlen, die Weichen entsprechend zu stellen, um spätestens im Sommer 2021 bei dann zu erwartenden umfassenden Impfmöglichkeiten entsprechend reagieren und differenzieren zu können. Aktuell (Anfang Februar 2021) haben die begonnenen Impfungen von den gezeigten Ausnahmen abgesehen noch sehr wenig Einfluss auf die Beschäftigungsverhältnisse, aber es bleibt zu hoffen, dass sich dies zeitnah durch das Vorhandensein ausreichender Impfstoffmengen ändert.
Wir hoffen, Ihnen mit dieser Übersicht einen guten Einblick über die arbeitsrechtliche Probleme bzgl. einer Impfung gegen COVID-19 gegeben zu haben. Selbstverständlich werden wir Sie fortlaufend über weitere aktuelle Entwicklungen informieren. Bei Rückfragen zu den genannten Themen können Sie sich jederzeit telefonisch oder per E-Mail an unsere Kollegen in unseren Büros in Berlin, Düsseldorf, München und Köln wenden.
Eine ausführliche Darstellung der Problematik aus der Sicht anderer Länder finden Sie hier.