In sehr vielen Ländern – darunter auch Deutschland – sind im Dezember 2020 massive nationale Impfprogramme gegen Covid-19 gestartet. Dies wird als die effizienteste Möglichkeit anzusehen, die Pandemiesituation zu überwinden und einen großen Schritt in Richtung Normalität zu gehen.
Gleichwohl sind die aktuell verfügbaren Impfstoffe noch sehr begrenzt, sodass restriktiv nur besonders schutzbedürftige Gruppen geimpft werden können. Dies soll sich aber spätestens im Laufe des Sommers 2021 ändern – zum 21. September 2021 soll grundsätzlich jedem die Möglichkeit eingeräumt werden geimpft zu werden. Eine gesetzliche Impfpflicht besteht gleichwohl nicht.
In unserem ersten Teil wollen wir aufzeigen, wie weit der Unternehmer Einfluss auf die Impfentscheidung nehmen kann.
I. Maßnahmen des Unternehmers, um Mitarbeiter zur Impfung zu bewegen
Ziel vieler Arbeitgeber ist es, dass möglichst schnell möglichst viele der Beschäftigten die Impfung erhalten haben, um zum einen das Infektionsrisiko im Betrieb signifikant zu senken und um zum anderen mittelfristig auch die strengen Maßnahmen nach den SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandards reduzieren zu können. Einen unmittelbaren Zwang kann der Arbeitgeber gleichwohl natürlich nicht ausüben.
1. Allgemeine Maßnahmen
Der Arbeitgeber sollte zunächst im Rahmen seiner Fürsorge- und Arbeitsschutzpflichten die Rahmenbedingungen zur Verhinderung von Ansteckungen schaffen. Die bisherigen Schutz- und Hygienekonzepte sind weiterhin zu beachten und an die jeweiligen Verordnungen und Vorgaben der Berufsgenossenschaften anzupassen.
Weiterhin sollte der Arbeitgeber überlegen, Impfmöglichkeiten bereitzustellen, sobald dies möglich ist (und nicht bereits jetzt durch die erste Impfwelle erfolgt).
Ob es dem Arbeitgeber möglich ist, eine Impfpflicht über eine arbeitsvertragliche Regelung insbesondere bei Neueinstellungen einzufordern, ist fraglich. Eine derartige allgemein verwendete Klausel wird wohl einer AGB-Kontrolle kaum standhalten angesichts der beim Mitarbeiter betroffenen Grundrechte. In Einzelfällen bzw. für bestimmte Tätigkeitsgruppen mag jedoch der Immunitätsnachweis vor Beginn der Tätigkeit verlangt werden können (siehe hierzu im Weiteren Ziff. 2).
2. Impflicht gegen den Willen der Arbeitnehmer
Selbstverständlich kann ein Arbeitgeber die Impfung seiner Mitarbeiter anregen. Die Kernfrage ist aber, ob er dies auch gegen den Willen der Mitarbeiter (einseitig) anordnen und einfordern kann, solange vom Gesetzgeber keine generelle Impfpflicht eingeführt wird.
Die Impfung betrifft, selbst wenn sie aufgrund der Natur der geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers (Kontakt mit Risikogruppen) besonders wichtig erscheint, den Kern grundrechtlicher Schutzbereiche. Die körperliche Unversehrtheit des Arbeitnehmers, die Achtung seines Persönlichkeitsrechts (Intimsphäre), unter Umständen der Glaubens- und Gewissensfreiheit treten in Konflikt mit den Grundrechten auf wirtschaftliche Betätigung und den Schutzpflichten des Arbeitgebers gegenüber seinen anderen Mitarbeitern. Eine einseitige Anordnung einer Impfung im Rahmen des § 106 GewO kommt nach überwiegender Auffassung nicht in Betracht, weil sich der Arbeitnehmer eben nicht mit seiner ganzen Person dem Diktat des Arbeitgebers unterwirft, sondern nur die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft schuldet und darüber hinaus die betroffenen Rechte des Arbeitnehmers in der Gesamtschau überwiegen. Abgesehen davon ist die Impfung aus medizinstrafrechtlicher Sicht eine Körperverletzung, die einer rechtfertigenden Einwilligung bedarf. Gegen den Willen des Arbeitnehmers wird also kein Arzt eine Impfung durchführen.
Ganz vereinzelt wird angenommen, dass die arbeitsvertragliche Treuepflicht zu einer Impfung verpflichte. Selbst wenn diese Auffassung zutrifft, kann der Arbeitgeber die Treuepflichten jedenfalls nicht gegen den Willen des Arbeitnehmers durchsetzen.
Für bestimmte Berufsgruppen (Beschäftigte in Krankenhäusern, Arztpraxen etc.) können Impfungen aber möglicherweise zur faktischen Pflicht werden. Nach den Vorschriften in § 23 Abs. 3 Infektionsschutzgesetzes (IfSG) kann der Arbeitgeber in verschiedenen Bereiches des Gesundheitsdienstes einen Immunitätsausweis, also einen Ausweis über die erfolgreiche Impfung bei Einstellung verlangen. Die nachgewiesene Immunität muss allerdings mit Blick auf die Rede stehende Tätigkeit erforderlich sein. Das Gesetz spricht insofern allein davon, dass "die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen" worden. Insbesondere dürfen mildere Maßnahmen, z.B. durch Einhaltung bestimmter Hygienemaßnahmen nicht ausreichen. Ob die derzeit vorhandenen Schutzmaßnahmen einschließlich des Verwendens von Schutzkleidung angesichts der hohen Ansteckungsgefahr und Verbreitung des Corona-Virus trotz aller Schutzkonzepte als mildere Mittel angesehen werden können, erscheint fragwürdig. Insofern besteht in diesen Bereichen im Einzelfall aufgrund der gesetzlichen Regelung des Infektionsschutzgesetzes eine faktische Impfpflicht als Voraussetzung für einzelne Tätigkeiten. Dort wo der Gesetzgeber dies aber nicht geregelt hat – also für die meisten Arbeitsverhältnisse – wird eine ggf. auch im Arbeitsvertrag vereinbarte Impfplicht als unzulässig angesehen werden müssen.
3. Incentivierung von Impfungen
Weitaus effektiver gegenüber arbeitsrechtlichen Konsequenzen scheint dagegen eine positive Motivation der Arbeitnehmer durch Zahlung von Impfprämien zu sein. Grundsätzlich ist es nach deutschem Arbeitsrecht zulässig, eine solche Prämie zuzusagen und zu zahlen. Bei der Gewährung einer solchen Prämie sind allerdings einige wichtige Regeln zu beachten: Zum einen müsste diese einheitlich an sämtliche geimpfte Arbeitnehmer gezahlt werden, unabhängig davon, ob sie durch die Prämie motiviert wurden oder nicht. Ferner ist zu empfehlen, eine einheitliche Prämie unabhängig vom Gehalt und unabhängig von einer Teilzeitbeschäftigung oder dem sonstigen Beschäftigungsstatus (bspw. Minijobber) zu zahlen. Zuletzt ist zu beachten, dass bei der Zusage und Vereinbarung einer solchen Prämie der Betriebsrat (sofern vorhanden) mitzubestimmen hat.
Artikel wird fortgesetzt…
Wir hoffen, Ihnen mit dieser Übersicht einen guten Einblick über die arbeitsrechtliche Probleme bzgl. einer Impfung gegen Covid-19 gegeben zu haben. Zu weiteren Fragen in diesem Zusammenhang werden win in einem zweiten Teil Stellung nehmen. Auch werden wir Se selbstverständlich über weitere aktuelle Entwicklungen informieren. Bei Rückfragen zu den genannten Themen können Sie sich jederzeit telefonisch oder per E-Mail an unsere Kollegen in unseren Büros in Berlin, Düsseldorf, München und Köln wenden.
Eine ausführliche Darstellung der Problematik aus der Sicht anderer Länder finden Sie hier.