Nach mehreren Anläufen gibt es nun also doch eine gesetzliche Home-Office-Pflicht in Deutschland, über den Umweg des Arbeitsschutzrechts:
Gemäß § 2 Abs. 4 der neuen Corona-Arbeitsschutzverordnung, die am 22. Januar 2021 verkündet wurde, hat der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern „im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen.“
1. Nach Ansicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales („BMAS“) sind „mit Büroarbeit vergleichbare Tätigkeiten“ in der Regel solche, die digital von zu Hause aus erledigt werden können (siehe die FAQs zur Corona-Arbeitsschutzverordnung).
2. Was „zwingende betriebsbedingte Gründe“ sind, lässt die Verordnung offen. Nach der, Gerichte nicht bindenden, Ansicht des BMAS geht es hierbei um „belegbare und nachvollziehbare betriebstechnische Gründe“, aufgrund derer die jeweilige Tätigkeit nicht ins Home-Office verlagert werden kann, insbesondere, weil ansonsten der übrige Betrieb nur eingeschränkt oder gar nicht aufrechterhalten werden kann. Dies umfasse beispielsweise die Bearbeitung und Verteilung der eingehenden Post, die Bearbeitung des Warenein- und -ausgangs, Hausmeisterdienste etc.
Klar ist, dass der bloße Wunsch des Arbeitgebers, dass alle Arbeitnehmer im Betrieb arbeiten sollen, keinen „betriebsbedingten“ Grund und erst recht keinen „zwingenden betriebsbedingten Grund“ darstellt. Aufgrund des Wortlauts „zwingend“ wird hier ein sehr hoher Prüfungsmaßstab anzulegen sein.
3. Nach Ansicht des BMAS soll aus der neuen Regelung eine gesetzliche Prüfpflicht des Arbeitgebers, aber kein subjektives Klagerecht des jeweiligen Arbeitnehmers folgen.
Im Falle eines Verstoßes gegen die neue Home-Office-Pflicht sollen die betroffenen Arbeitnehmer die Arbeitsschutzbehörde informieren. Im Rahmen der dann folgenden Prüfung hat sich der Arbeitgeber zu den einer Home-Office-Tätigkeit entgegenstehenden zwingenden betriebsbedingten Gründen zu erklären und muss diese im Einzelnen darlegen. Zwecks Überprüfung kann die Behörde dann nicht nur weitere Auskünfte und Unterlagen verlangen, sondern auch von ihrem Besichtigungs- und Einsichtsrecht vor Ort Gebrauch machen, was vielen Arbeitgebern nicht recht sein wird. Die Behörde kann schließlich die Tätigkeit im Home-Office anordnen und bei einem Verstoß ein Bußgeld von bis zu 30.000,- EUR pro betroffenem Arbeitnehmer verhängen sowie die Tätigkeit im Betrieb untersagen.
4. Für die betroffenen Arbeitnehmer selber besteht aufgrund der genannten Neuregelung keine Pflicht das Angebot des Arbeitgebers anzunehmen und im Home-Office zu arbeiten.
5. In welcher Form die Home-Office-Tätigkeit angeboten und durchgeführt werden soll, legt die Verordnung nicht fest.
Hier gibt es grundsätzlich zwei Gestaltungsformen, zum einen die feste Einrichtung eines Telearbeitsplatzes gem. § 2 Abs. 7 der Arbeitsstättenverordnung und zum anderen eine Home-Office-Tätigkeit, die nicht die Voraussetzungen von § 2 Abs. 7 der Arbeitsstättenverordnung erfüllt. Bei der letztgenannten Tätigkeit stellt der Heimarbeitsplatz zwar keine „Arbeitsstätte“ dar, so dass nach herrschender Meinung die Arbeitsstättenverordnung nicht anwendbar ist, dies entbindet aber den Arbeitgeber nicht von einer Gefährdungsbeurteilung des Heimarbeitsplatzes und den sonstigen Verpflichtungen des Arbeitsschutzgesetzes. Ob auch das Angebot von „mobilem Arbeiten“ („Mobile Office“) die Vorgaben von § 2 Abs. 4 der Corona-Arbeitsschutzverordnung erfüllt, ist angesichts des Wortlauts „anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen“ fraglich. Beim „Mobilen Arbeiten“ entscheidet der Arbeitnehmer selbst, wo er seine Tätigkeit erbringt. Dies kann durchaus im Wohnbereich des Arbeitnehmers sein, statt dessen aber auch an jedem anderen beliebigen Ort (Café, Park, Zug / Flugzeug, Hotel, Strand etc.).
6. Besteht ein Betriebsrat, sind selbstverständlich dessen Mitbestimmungsrechte und sonstigen Beteiligungsrechte im Zusammenhang mit einer Home-Office-Tätigkeit zu beachten.
7. Arbeitgebern ist im Zusammenhang mit den neuen Pflichten aus § 2 Abs. 4 der Corona-Arbeitsschutzverordnung dringend eine umfassende Dokumentation anzuraten. Zu dokumentieren sind nicht nur das Angebot an die Arbeitnehmer, sondern ggf. auch deren Ablehnung. Auch die „zwingenden betriebsbedingten Gründe“, die nach Ansicht des Arbeitgebers der Home-Office-Tätigkeit entgegenstehen, müssen zwecks Vorlage an die Arbeitsschutzbehörden dokumentiert werden.
Nimmt der Arbeitnehmer das Home-Office-Angebot an, sollten die Arbeitsvertragsparteien eine schriftliche Home-Office-Vereinbarung treffen, die nicht nur Regelungen zum Arbeitsort und zur Arbeitszeit enthält, sondern auch zu den Anforderungen an die außerbetriebliche Arbeitsstätte, zu einem Zugangsrecht des Arbeitgebers / der Behörden, zu den Arbeitsmitteln, zum Aufwendungsersatz (oder dessen Ausschluss), zur Geheimhaltung, zum Datenschutz etc.
8. Die Corona-Arbeitsschutzverordnung tritt fünf Tage nach ihrer Verkündung in Kraft, d.h. also am 27. Januar 2021, und ist (zunächst) befristet bis zum 15. März 2021.
Für weitergehende Informationen und Rückfragen stehen wir Ihnen jederzeit in unseren Büros in Berlin, Düsseldorf, München und Köln zur Verfügung. Selbstverständlich unterstützen wir Sie auch gerne bei der Erstellung der erforderlichen Home-Office-Vereinbarungen und der sonstigen Dokumentation im Zusammenhang mit § 2 Abs. 4 der Corona-Arbeitsschutzverordnung sowie ggf. bei der diesbezüglichen Formulierung von Betriebsvereinbarungen und / oder Regelungsabreden mit dem Betriebsrat.